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Wirtschaft Gutachten des Potsdam-Instituts

Dramatischer Anstieg der Hitzetage – Der Klimawandel setzt die Bahn unter Druck

Wirtschaftskorrespondent
Nur die ICEs der neuesten Generation sind für Hitzetage weit über 30 Grad gut gerüstet Nur die ICEs der neuesten Generation sind für Hitzetage weit über 30 Grad gut gerüstet
Nur die ICEs der neuesten Generation sind für Hitzetage weit über 30 Grad gut gerüstet
Quelle: Deutsche Bahn AG
Ein von der Bahn beauftragtes Gutachten verdeutlicht, wie stark Extremwetterlagen den Schienenverkehr aufgrund des Klimawandels künftig beeinträchtigen könnten. Der Konzern muss aufrüsten - dabei kosten die Maßnahmen schon jetzt viele Millionen.

Seit Tagen purzeln die Hitzerekorde in Deutschland, noch nie war ein Juni so heiß wie im Pandemiesommer 2021. Das freut längst nicht jeden: Schon seit Donnerstag verzeichnet die Deutsche Bahn ein „erhöhtes Störungsgeschehen“ bei den Klimaanlagen ihrer Züge, gibt Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla zu.

Zwar sind die Anlagen der neuesten ICEs der vierten Generation auf Temperaturen bis 45 Grad ausgelegt und sollten deshalb eigentlich angesichts von Werten zwischen 35 und 40 Grad durchhalten. Doch die älteren Züge, deren Klimasysteme zwar auch aufgerüstet werden sollen, sind längst noch nicht alle bereit, um störungsfrei durch das überhitzte Land zu rollen.

Und bei der Deutschen Bahn (DB) fürchtet man, dass der heiße Juni nur ein Vorgeschmack auf das künftige Klima in Deutschland ist. Der Konzern hat bei den Klimaforschern des Potsdam-Instituts eine Studie in Auftrag gegeben, welche Folgen der Klimawandel in den nächsten Jahren für den Bahnverkehr haben wird. Das Ergebnis: Vor allem die Hitze wird der DB künftig noch deutlich häufiger zu schaffen machen. Schon jetzt hat sich die Zahl der sogenannten Hitzetage in vielen Regionen Deutschlands verdoppelt, und sie könnte weiter steigen.

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Laut den Klimaforschern erreichten die Thermometer in den Jahren zwischen 1961 und 1990 durchschnittlich nur an 3,6 Tagen pro Jahr Spitzenwerte von über 30 Grad. In den folgenden 30 Jahren zwischen 1991 und 2020 gab es hingegen im Durchschnitt schon 8,1 Hitzetage – mehr als doppelt so viele wie in den drei vorangegangenen Dekaden. Und sollte das Szenario der Forscher für die künftige Entwicklung eintreten, läge der Schnitt in den Jahren zwischen 2031 und 2060 wohl sogar bei 10,9 Hitzetagen pro Jahr.

Entsprechend hitzeresistent müsste die Bahn ihre Züge bauen lassen und durch zusätzliche Wartung dafür sorgen, dass in immer größeren Zeiträumen im Jahr notfalls die heißen Außentemperaturen im Innern der Wagen heruntergekühlt werden können. Die Forscher haben auch untersucht, wo es besonders oft zu solchen Hitzetagen kommt: Vor allem im Nordosten und dem Südwesten des Landes müssen die Menschen immer öfter mit extremen Temperaturen rechnen.

So stieg die Zahl der Tage mit Werten über 30 Grad beispielsweise in Karlsruhe in Baden-Württemberg von sieben auf inzwischen 13,6. Tritt die Prognose der Klimaforscher ein, könnten es in den kommenden drei Jahrzehnten sogar durchschnittlich 19,2 Hitzetage pro Jahr werden, die die Badener erleiden müssen. Es ist der absolute Spitzenwert in Deutschland.

Doch auch in Cottbus, Berlin und Leipzig im Osten wird es immer häufiger sehr warm. An 12,7 beziehungsweise 13 Tagen pro Jahr wird hier bereits jetzt die 30-Grad-Grenze übersprungen. Und selbst im kühlen Kiel verfünffacht sich der Durchschnittswert von 0,4 Hitzetagen zwischen 1961 und 1990 auf womöglich zwei Tage jährlich zwischen 2031 und 2060.

Hitze ist allerdings keineswegs das einzige Problem, mit dem sich die Bahn, aber auch alle anderen Bewohner Deutschlands in Zukunft wohl deutlich häufiger auseinandersetzen müssen. Auch Starkregen und Hagel erwarten die Forscher in Zukunft öfter. Davon werde künftig vor allem Süddeutschland häufiger betroffen sein. Hinzu kommen heftigere Stürme, wobei sich hier laut der Studie noch kein klarer Trend erkennen lässt. In einigen Regionen kommt es häufiger zu solchen Windstößen, in anderen dafür seltener.

Auf diese Gefahr hat die DB bereits reagiert und zusätzliche Landschaftspfleger eingestellt, die dafür sorgen, dass Bäume und Büsche entlang der Schienen so gestutzt werden, dass sie möglichst auch heftigen Stürmen standhalten, ohne die Gleise zu blockieren.

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Günstig ist das allerdings nicht: 125 Millionen Euro jährlich gab der Konzern für die sogenannte Vegetationspflege zusätzlich aus, die Sturmschäden durch Bäume gingen dadurch aber auch seit 2018 um ein Viertel zurück. Auch die halbjährliche Wartung der Klimaanlagen kostet einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr.

Bei der Bahn will man mit den Daten der Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) nun eine „Resilienz-Strategie“ entwickeln, wie man Züge, aber auch Bahnhöfe und Gleise so präparieren kann, dass sie auch dem Klima der Zukunft gewachsen sind.

„Der Klimawandel ist längst Realität“, sagt Vorstand Pofalla. Es sei daher insbesondere wichtig, den CO2-Ausstoß so schnell wie möglich zu reduzieren, um die negativen Effekte des klimaschädlichen Abgases so gering wie möglich zu halten.

Die DB hat deshalb beschlossen, dass sie bereits bis 2040 klimaneutral wirtschaften will, bislang hatte der Staatskonzern das Jahr 2050 als Ziel ausgegeben. Um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen, soll das Vegetationsmanagement entlang der Schienen weiter verbessert werden, Sensoren sollen rund um die Uhr die Temperaturen und Bedingungen an den Bahnanlagen erfassen.

Die Bahn soll zu den Profiteuren des Klimawandels gehören; um die Emissionen des gesamten Verkehrs zu reduzieren, sollen in den nächsten Jahren immer mehr Personen und Güter auf der Schiene transportiert werden. Womöglich deshalb hat man sich bei der Prognose der Auswirkungen auf das Worst-Case-Szenario gestützt, dass der CO2-Ausstoß so fortgesetzt wird wie bisher. Das gilt unter Experten schon jetzt als extrem unwahrscheinlich. Eines ändert das aber nicht: Hitzewellen werden häufiger.

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