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Faktencheck Nein, die deutsche Anti-Corona-App wird Ihre Freunde nicht ausspähen

In den sozialen Medien bitten einige Nutzer darum, dass man sie aus dem Smartphone-Adressbuch und Freundeslisten löscht - wegen der geplanten Anti-Corona-App. Der Aufruf basiert auf Falschannahmen.
Unter anderem auf Facebook im Umlauf: Nachrichten zur noch gar nicht fertigen Anti-Corona-App

Unter anderem auf Facebook im Umlauf: Nachrichten zur noch gar nicht fertigen Anti-Corona-App

Foto:

Facebook

Fakten oder falsche Behauptungen? Manche Social-Media-Nutzer sorgen sich derzeit offenbar um ihre Privatsphäre - und wollen sich mit Beiträgen auf Plattformen wie Facebook und WhatsApp helfen.

"WICHTIG: An alle meine Kontakte, Freunde und Bekannte, die diese STOPCOVID-App nutzen wollen", heißt es in einer Nachricht, die in dieser oder sehr ähnlicher Form weiterverbreitet wird: "Nehmen Sie es nicht persönlich, aber bitte streichen Sie mich von Ihrer Telefonkontaktliste und allen Social-Media-Plattformen, die Sie verwenden, bevor sie die App auf Ihrem Smartphone installieren. Du hast nicht meine Zustimmung, meine Telefonnummer in Verbindung mit deiner App zur Identifizierung, Tracking oder Standort meiner Person zu verwenden, denn wenn du diese App hast, werden alle Ihre Kontakte bekannt sein."

Mit der STOPCOVID-App dürfte die kommende deutsche Contact-Tracing-App gemeint sein, deren tatsächlicher Name noch nicht bekannt ist - die Software befindet sich nämlich noch bis voraussichtlich Mitte Juni in Entwicklung. Ab dann wird man sie auf freiwilliger Basis installieren können. "Ich respektiere deine Wahl, danke, dass du meine respektiert hast", heißt es am Ende der Nachricht, möglicherweise als Anspielung auf diese Freiwilligkeit.

Unser Urteil: ein Kettenbrief mit Falschinformationen.

Anti-Corona-Apps gibt es in vielen Ländern, in verschiedenen Umsetzungen. Wie die deutsche App genau aussehen wird, ist noch nicht in jedem Detail klar - allerdings sind bereits einige Grundprinzipien bekannt. Und eines davon lautet: Es sollen keine Klarnamen von Smartphone-Nutzern ausgetauscht oder auf Servern der App-Macher oder der Regierung gespeichert werden. Ebenso sollen keine Standortdaten gesammelt werden, die App setzt beim Abschätzen von Entfernungen zu anderen Nutzern auf die Bluetooth-Technologie.

Auch darauf, dass die Telefon-Adressbücher oder Social-Media-Kontakte von App-Nutzern ausgelesen werden sollen, gibt es keinerlei glaubhafte Hinweise. Installiert ein Freund oder Bekannter die App, wird dies also nicht dazu führen, dass jemand, den er oder sie im Telefonbuch hat oder mit dem er oder sie auf Social-Media-Plattformen befreundet ist, identifiziert oder gar getrackt wird.

Da die deutsche App als Open-Source-Software nicht nur von den App-Store-Betreibern Apple und Google, sondern auch von unabhängigen Experten geprüft werden können soll, ist zudem davon auszugehen, dass solche hochproblematischen Funktionen schnell entdeckt und öffentlich gemacht würden - selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass sie jemand heimlich einbauen wollte.

So wie die App konzipiert ist, werden allen Smartphones, auf denen sie freiwillig installiert wurde, automatisch immer wieder wechselnde pseudonyme Identifikationsnummern zugeordnet. Sind zwei Geräte eine gewisse Zeit lang in gegenseitiger Reichweite, speichern sie die jeweils andere Nummer, damit der Besitzer jenes Geräts im Falle einer späteren Coronavirus-Infektion als Warnung benachrichtigt werden kann - auch ohne, dass man weiß, welche Person oder welche Telefonnummer hinter dem Gerät steckt.

Im Kettenbrief wird die Funktionsweise der App somit grundlegend falsch dargestellt. Überhaupt wird vor allem behauptet statt belegt, in einer weiteren Passage etwa heißt es: "Ich habe gesehen, was in China mit diesem Programm passiert, habe ich überhaupt keine Lust darauf!". Hier wird einfach so getan, als wäre die deutsche Anti-Corona-Virus, "dieses Programm", keine vergleichsweise datenschutzfreundliche Neuentwicklung, sondern die Übernahme einer chinesischen Software.

Auf den ersten Blick erkennbar ist derweil, dass die Nachricht als Kettenbrief konzipiert ist. "Du kannst kopieren und einfügen 🙂 das habe ich gerade selbst mit dem Post einer Freundin gemacht 😉 die es auch kopiert hat", heißt es darin, "...und so läuft die Info."

Dass der Aufruf, die Kontaktdaten der Postenden zu löschen, ausgerechnet auf Plattformen wie Facebook und WhatsApp geteilt wird, entbehrt übrigens nicht einer gewissen Ironie: Denn gerade solche Dienste stehen seit Langem in der Kritik, weil sie Nutzer dazu verleiten, ihre Adressbücher zu synchronisieren  und ihnen so tatsächlich Kontaktdaten Dritter zu übermitteln.

Bekommen Sie solche oder ähnliche Corona-Nachrichten über WhatsApp, Telegram oder Facebook-Gruppen? Werden Sie von Freunden oder Verwandten auf Artikel über das Coronavirus hingewiesen, deren Quelle und Wahrheitsgehalt sie nicht einschätzen können? Schreiben Sie uns eine E-Mail an corona.faktencheck@spiegel.de - wir überprüfen ausgewählte Fälle und veröffentlichen das Ergebnis auf spiegel.de/thema/coronavirus-faktencheck.