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Coronakrise Der schnellste Börsencrash der Geschichte

In nur 28 Tagen hat der Dax fast 40 Prozent eingebüßt. Das ist der schnellste Absturz des Aktienmarkts, den es in Deutschland je gab. Was diesen Crash von früheren unterscheidet: ein Überblick in Grafiken.
Foto: DER SPIEGEL

Jeder Börsencrash ist anders. Das besondere Merkmal des derzeitigen Kurzsturzes ist das Tempo. Noch vor wenigen Wochen notierten die Börsen nahe ihrer Höchststände. Martin Lück, Blackrock-Anlagestratege für Deutschland, sagte damals dem SPIEGEL: "Die Gefahr für das globale Wirtschaftswachstum durch das Coronavirus ist vermutlich nicht so gravierend wie zunächst angenommen."

Nicht nur Ökonomen wie Lück hatten das Vi­rus zu diesem Zeitpunkt unterschätzt. Doch inzwischen hat sich an den Märkten blanke Panik breitgemacht: Seit dem 19. Februar hat der Dax 39 Prozent seines Wertes eingebüßt. Im Vergleich zu früheren Börsencrashs ist das der schnellste Verlust, den es je gab (siehe Grafik). Noch nie in seiner mehr als 30-jährigen Geschichte hat das wichtigste deutsche Börsenbarometer nach seinem Höchststand in gerade einmal 28 Tagen so viel an Wert verloren.

Ein solch scharfer Einsturz der Aktienmärkte ist auch sonst ohne historisches Vorbild. "Die Entwicklung in diesem Jahr stellt eine krasse Ausnahmesituation dar. Die Produktionseinbußen sind der Reflex auf einen massiven exogenen Schock, für den es in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte keine Vergleichsmuster gibt", sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef beim Wirtschaftsforschungsinstitut IfW Kiel.

Nur 1987 ging es ähnlich rasant bergab: Da verloren die weltweiten Börsen 37 Prozent in 28 Tagen. Bei der Aufarbeitung des Crashs von 1987 kam heraus, dass Computer den rasanten Absturz beschleunigt hatten. Einen konkreten Auslöser gab es nicht.

Wie lange geht es noch nach unten?

Die brutale Schnelligkeit des derzeitigen Börsencrashs wird noch deutlicher, wenn man ihn mit der globalen Finanzkrise von 2008 vergleicht. Um einen Verlust von ähnlichem Ausmaß anzuhäufen, dauerte es damals mehr als drei Mal so lange: Erst nach 102 Tagen hatte der Dax einen Verlust von mehr als 37 Prozent erreicht. Seinen Tiefststand von minus 44,5 Prozent markierte er nach 207 Tagen.

In ihrem Ursprung unterscheidet sich die derzeitige Krise fundamental von der der Jahre 2007 und 2008. Nicht das Versagen der Banken und die Konstruktion hochkomplexer Finanzinstrumente stürzen dieses Mal die Wirtschaft ins Chaos. Die jetzige Krise wurde durch ein Virus ausgelöst, das sich ex­po­nen­ti­ell aus­brei­tet und gan­ze Volks­wirt­schaf­ten lahm­zu­le­gen droht. So etwas hat es noch nie gegeben.

Gerade wegen dieses Krisenauslösers wurden Investoren auf der ganzen Welt auf dem falschen Fuß erwischt, was zu schnellen Panikverkäufen führte. "Diese Pandemie hat die schnellste Neubewertung von Risiken an den Aktienmärkten seit 30 Jahren ausgelöst", sagte Bram Kaplan, Aktien- und Devisenstratege bei der US-Großbank JP Morgan jüngst dem Sender CNN. Was Konzerne ansonsten an regulären Umsätzen oder Absatzzahlen melden, fällt angesichts dessen kaum mehr ins Gewicht. Alles wird vom Crash überschattet, alles wird verkauft.

Gleich zwei Mal schaffte es der Dax, in den vergangenen Wochen einen "schwarzen Börsentag" hinzulegen. In den Top Ten der schlimmsten deutschen Börsentage tauchen gleich zwei Tage aus den vergangenen Wochen auf: Der 9. März (als der Dax 7,9 Prozent verlor) und der 12. März (als er 12,2 Prozent verlor). Nur am 16. Oktober 1989 war das Minus auf Tagessicht größer: Grund waren Sorgen über ein Ende des damaligen Fusionsfiebers.

Doch der Ursprung der derzeitigen Krise bietet auch Anlass zu der Hoffnung, dass es zumindest nicht so lange dauert, bis die Talfahrt an den Börsen überstanden ist. Nach Ansicht von Wissenschaftlern des IfW Kiel stehen die Chancen gut, rascher wieder aus dem Produktionstal herauszukommen als während der Finanzkrise 2008.

Den Wissenschaftlern zufolge besteht das positive Szenario darin, dass die derzeitige Stresssituation lediglich bis Ende April andauert und sich die Lage dann ab Mai allmählich entspannt. Beim Bruttoinlandsprodukt liefe das für das Jahr 2020 dann auf ein Minus von 4,5 Prozent hinaus.

Erst 2021 würde sich die Wirtschaft in diesem Szenario erholen, dafür aber kräftig. Das hätte dann auch wieder steigende Börsenkurse zur Folge.