Sars-CoV-2 ist etwas Neues. Ein mutierter Erreger, entsprungen aus dem Tierreich. Seit Januar weiß man, wie das Virus aussieht. Kein Problem also, eine Impfung zu machen. Der Knackpunkt: Jeder Stoff, der in Frage kommt, muss hergestellt und dann an Zellen, an Tieren und Menschen getestet werden. Hat er Nebenwirkungen? Und wirkt er auch? All das dauert. Zehn Jahre wären normal ("Plos One": Pronker et al., 2013). Im Fall von Corona meinen manche, sie schaffen es in einer Weltrekordzeit von anderthalb Jahren. Unrealistisch sei das, sagen andere. An mehr als 60 Kandidaten wird gearbeitet. Das sind die Ansätze, die Millionen Menschen retten sollen.

Der Neuling

Was ist die allernötigste Information, die der Körper braucht, um sich gegen Sars-CoV-2 zu wappnen? Ein kleiner Genschnipsel, eine winzige Kette von Erbgutmolekülen, auf dem der Bauplan für einen Virusbaustein gespeichert ist. Viren haben einen einfachen Aufbau. Sie bestehen im Wesentlichen aus einer Proteinhülle, dem sogenannten Kapsid, und dem Erbgut – einer Kette von DNA- oder RNA-Molekülen –, anhand dessen in der Wirtszelle Virenreplikate hergestellt werden.

In herkömmlichen Impfstoffen werden häufig ganze Viren verabreicht, entweder tot oder abgeschwächt. Oder Antigene, bestehend aus kleinen Teilen des Virus, etwa Proteinen oder Zuckerketten von deren Oberfläche. Diese wandern ins Lymphgewebe, wo Immunzellen sie erkennen. Kommt der Geimpfte dann später mit dem Erreger in Kontakt, ist er vorbereitet und kann zielgerichtet gegen ihn vorgehen.

Die Idee, dass reine Erbgutmoleküle zum zentralen Baustein von Impfungen werden können, ist hingegen vergleichsweise neu. Kaum eine Impfstofftechnik dürfte momentan derart gehyped werden, wie diese sogenannten RNA- oder DNA-Impfstoffe. Einige deutsche Firmen sind in der Forschung weltweit führend. Darunter das Tübinger Unternehmen CureVac, das seit Januar an einem Impfstoff gegen Sars-CoV-2 arbeitet.

Die Grundlage von RNA-Impfstoffen – auch dem von CureVac – bildet ein Trick, den sich Forschende von den Erregern selbst abgeschaut haben. Viren können sich nämlich nicht selbst vermehren. Sie benötigen dafür die Maschinerie der Zellen ihres Wirts. Sie verschaffen sich Zutritt zu den Zellen und nutzen die dortigen Mechanismen: Das Viruserbgut wird in der Zelle abgelesen, deren Sequenz dient als Bauplan, um einzelne Teile des Virus nachzubauen – der Erreger lässt sich so sich vervielfältigen, um später andere Zellen befallen zu lassen. Dieses Prinzip, so folgerten Forscher, könnte man auch gleich für die Impfstoffherstellung nutzen. Die Überlegung: Spritzt man dem Körper einen genetischen Bauplan könnte er sich den Teil des Erregers selber bauen, auf den das Immunsystem besonders gut reagiert. Im Falle von Sars-CoV-2 ist das der Protein-Stachel auf der Oberfläche des Virus, der ihm sein besonderes Aussehen verleiht und mit dessen Ende der Erreger an die Zelle bindet: das Spike-Protein. 


Von anderen Coronaviren wisse man, dass diese Proteine gute Ziele für die Impfstoffentwicklung sind, sagt der Biologe Benjamin Petsch. Er ist Leiter der nicht-klinischen Impfstoffforschung bei CureVac. Der CureVac-Impfstoff enthält deswegen viele winzige mRNA-Kopien, die eine Vorlage für dieses Spike-Protein bilden. "Wir haben bereits Studien zu verwandten Viren, in diesem Fall zum Mers-Virus, durchgeführt und deswegen Vordaten, die uns sagen: Ganz grundsätzlich sollte es klappen, damit eine Immunantwort auszulösen", so Petsch.

Sobald die Zelle diese winzigen Proteinteile selbst hergestellt hat, funktioniert der Impfstoff im Prinzip wie alle anderen Impfstoffe auch: Das Immunsystem denkt, dass der Körper sich mit einem Erreger infiziert hat, mit dem er zuvor noch nie in Berührung gekommen ist. Die Zellen des Immunsystems setzen Abwehrmechanismen in Gang, die speziell an diesen Erreger angepasst werden. Die B- und T-Zellen des Immunsystems merken sich dessen Oberflächenstrukturen. Falls irgendwann der echte Erreger in den Körper eindringt, ist dieser vorgewarnt. Binnen Stunden kann der Körper Antikörper produzieren, mit seinen Immunzellen reagieren und damit die Infektion im Keim ersticken. 

CureVacs Impfstoff soll im Frühsommer in klinische Tests an Menschen gehen. Ein anderer, ganz ähnlicher Impfstoff, ist da schon etwas weiter. Er trägt den Namen mRNA-1273 und stammt vom US-Impfstoffentwickler Moderna, der ihn mit Hilfe des staatlichen US-Forschungsinstituts National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) entwickelt hat. Seit Mitte März wird er in Seattle an 45 gesunden Erwachsenen getestet – noch nicht einmal zehn Wochen nachdem chinesische Wissenschaftler die erste genetische Sequenz von Sars-CoV-2 online veröffentlicht hatten. 

Allerdings gilt es bei Impfstoffen, die auf den Erbgutmolekülen basieren, vorsichtig zu sein. Obwohl seit Jahrzehnten an ihnen geforscht wird, wurde bisher kein einziger für die Anwendung beim Menschen zugelassen. Ein häufiges Problem ist bisher, dass die Impfung keine Immunreaktion hervorruft, die stark genug ist. Zwar kann es gut sein, dass dieses Feld durch die Covid-19-Pandemie einen großen Schritt nach vorn macht und erste Impfstoffe ihre Wirkung beweisen. Klar ist aber auch: Im Kampf gegen Covid-19 sollten RNA-Impfstoffe nicht die einzige Technologie sein, auf die Wissenschaftlerinnen setzen. 

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Der Klassiker

Peter Hotez forscht an altbewährten Proteinimpfstoffen. Wer sich auf die Suche nach einem Coronavirus-Impfstoff macht, kommt um ihn nicht herum. "Wir haben wahrscheinlich das weltweit umfangreichste Coronavirus-Forschungsprogramm", sagt der Mediziner und Dekan des Baylor College of Medicine in Houston, Texas. 2002 begann Hotez mit seinen Kollegen an einem Impfstoff gegen das Sars-Virus zu forschen, das dem Erreger von Covid-19 genetisch sehr ähnlich ist – und an dem weltweit 800 Menschen starben. Rund zehn Jahre später schwenkte man auf Mers um, einem anderen tödlichen Coronavirus, das immer wieder Ausbrüche auf der arabischen Halbinsel verursacht.

Aber stets verloren die Geldgeber das Interesse. "Wäre uns das Geld nicht ausgegangen, dann hätten wir womöglich schon eine Impfung gegen Covid-19 in der Hand", sagt Hotez. Damit meint er eigentlich einen Impfstoff gegen das alte Sars-Virus. Dieser setzt am bereits erwähnten Spike-Protein an, das sowohl das alte Sars-Virus als auch Sars-CoV-2 haben (Nature: Lan et al., 2020). Und wegen der großen Ähnlichkeit könnte der alte Impfstoff eben auch gegen das neue Virus wirken, hofft Hotez. Es könne gut sein, dass Menschen nach der Sars-1-Impfung auch gegen Sars-CoV-2 immun sind.

Seit knapp vier Jahren liegt der Impfstoff in Tiefkühltruhen im Houstoner Labor. Seine Wirksamkeit und Sicherheit ist in Tierstudien nachgewiesen (Human Vaccines & Immunotherapeutics: Chen et al., 2014). Für eine Phase-I-Studie, die sicherstellen soll, dass der Impfstoff auch für Menschen ungefährlich ist, aber fehlte das Geld. Erst als zum Jahreswechsel Menschen in China begannen, an Lungenentzündungen durch Sars-CoV-2 zu sterben, holte Hotez mit seinen Kolleginnen und Kollegen den Impfstoff aus der Kühlung, verabreichte ihn Mäusen und testete, ob der Impfstoff sie auch vor dem neuen Virus schützen konnte. 

Inzwischen liegen erste, vorläufige Ergebnisse vor (Preprints: Hotez & Bottazzi, 2020). Impft man Mäuse mit dem Sars-Impfstoff und nimmt ihnen Blut ab, lässt sich im Reagenzglas beobachten, wie die Immunzellen im Blut gegen das neue Coronavirus reagieren, erklärt Ulrich Strych, der mit Hotez zusammenarbeitet. Zudem zeigt eine kürzlich erschienene Studie, dass bestimmte Antikörper gegen das Sars-Virus auch gegen Sars-CoV-2 wirken (Cellular & Molecular Immunology: Tai et al., 2020)

"Der Impfstoff müsste eine Schutzwirkung haben", sagt Peter Hotez, "auch wenn er nicht perfekt ist". Mit "nicht perfekt" meint er, dass der Impfstoff vielleicht nicht 100 Prozent der Geimpften schützen könnte, wohl aber viele. Dafür forsche man zusätzlich an einem Impfstoff, für den das Spike-Protein von Sars-CoV-2 nachgebaut wurde. Aber der alte Sars-1-Impfstoff habe in der jetzigen Situation eben einige Vorteile: Erstens ist er schnell zur Hand. Sobald die Arzneimittelbehörde FDA grünes Licht gebe, und man das Geld zusammenhabe, könnten Phase-I-Studien an Menschen starten.

Aber wichtiger noch: Sein Labor hat über Jahre Daten aus Tierstudien gesammelt, die belegen, dass der Impfstoff sicher sei, erklärt Hotez (Expert Review of Vaccines: Jiang et al., 2012). Das ist ein Riesenvorteil. Denn alle Impfstoffkandidaten für Sars-CoV-2 müssen trotz aller Eile unbedingt darauf geprüft werden, dass sie keine schwerwiegenden Nebenwirkungen haben. Vor allem vor einer unerwünschten Reaktion des menschlichen Körpers warnt er: Dass die Impfung das Immunsystem so verändert, dass es eine Infektion mit Sars-CoV-2 nicht verhindert, sondern verschlimmert.

Dass das Immunsystem Geimpfter sich auch gegen sie wenden kann, weiß man seit den Sechzigerjahren (American Journal of Epidemiology: Kapikian et al., 1969). Und auch bei manchen Sars-Impfstoffkandidaten hatte es im Tiermodell solche Probleme gegeben. Bei Mäusen und Frettchen, die geimpft worden waren, griff das Immunsystem die Lunge oder die Leber an (Journal of Virology: Weingartl et al., 2004 und PLOS Medicine: Deming et al., 2006). Vor allem bestimmte Vektorimpfstoffe könnten diese Probleme mit sich bringen, glaubt Hotez. Also Impfstoffe, die als Rückgrat bestimmte Viren wie das abgeschwächte Pockenvirus MVA nutzen (siehe "Das Trojanische Pferd").

Neben Schnelligkeit und Sicherheit könnte Hotez' Impfstoff noch einen weiteren Vorteil haben: Die Technik ist simpel. Das Stachelprotein für den Impfstoff lässt sich mit Hefen herstellen – nicht gerade ein Hightechunterfangen. Und genau das ist gut. Denn je einfacher die Technik, desto günstiger der Impfstoff und desto schneller lassen sich große Mengen davon herstellen. "Wir haben schon mit Impfstoffherstellern in Entwicklungsländern gesprochen", sagt Peter Hotez. Auch dort ließe sich der Impfstoff schnell herstellen, sollte er sich als effektiv und sicher erweisen.

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Das Trojanische Pferd

Wer einen Impfstoff für einen neuen Erreger auf den Markt bringen will, muss nicht bei null anfangen, dachten sich die Forschenden, die vor einigen Jahrzehnten die sogenannten Vektorimpfstoffe entwickelten. Das Prinzip: Sie benutzen bewährte Impfviren als Vehikel, etwa abgeschwächte Pockenviren. Dann basteln sie Gensequenzen neuer Erreger in das Viruserbgut und schleusen sie damit in die Zelle und stellen so Impfungen her. Sie nutzen also ein altes Virus, von dem sie genau wissen, wie es im Körper reagiert, mit neuer Ladung.

Beim Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und dem Pharmaunternehmen Janssen Pharmaceutica wählte man unter anderem diese Strategie. Dort fügten Wissenschaftler die Gensequenz des wichtigen Spike-Proteins einfach in das Erbgut eines Adenovirus, einem altbekannten Erkältungsvirus, ein. Nach der Impfung soll das Impfvirus Körperzellen befallen und sein Erbgut einschleusen. Dann werden, wie bei den Erbgutimpfstoffen (siehe "Der Neuling"), Teile des Spike-Proteins gebildet und dann die Immunantwort ausgelöst.

Anders als mRNA- oder DNA-Impfungen haben sich Vektorimpfstoffe bereits bewährt. So beruht zum Beispiel eine offenbar sehr effektive Ebola-Impfung auf der Technik (The Lancet: Henao-Restrepo et al., 2017). Janssens Vorgehen hat Vorteile: Zunächst gibt es bereits Anlagen, mit denen sich der Impfstoff in großen Mengen produzieren lässt, weitere sollen gebaut werden. Und wichtiger noch: "Insgesamt wurden in Studien 50.000 Menschen mit dem gleichen Grundstoff geimpft, den wir jetzt einsetzen werden", sagt Roland Zahn, Leiter der präklinischen Immunologie für virale Impfstoffentwicklung bei Janssen. Das heißt, das Impfvirus selbst hat bereits verschiedene Sicherheitsprüfungen durchlaufen. 

Das spart Zeit: Der Grund, warum die Impfstoffentwicklung normalerweise so lange dauert, sind die langen Testphasen, die ein Impfstoff durchlaufen muss. Denn gerade bei Impfstoffen sind die Qualitätsanforderungen hoch. Sie sollten nicht nur wirken, sie müssen auch sicher sein, also die geimpfte Person nicht krank machen. Bei Medikamenten ist das anders. Sie sollen eine bereits kranke Person von einer Krankheit befreien. Nebenwirkungen werden dabei in bestimmtem Maße in Kauf genommen. Bei einer Behandlung dürfen die Nebenwirkungen nicht schlimmer als die Wirkung sein, bei der Prävention, also Impfung, sollte es eigentlich keine ernst zu nehmenden Nebenwirkungen geben. 

Normalerweise werden Arzneimittel nacheinander in vier Phasen getestet, bevor sie für die breite Bevölkerung zugelassen werden: Die präklinische Phase und klinische Studien an Menschen der Phasen I bis III (siehe Infokasten). All diese Studien, die Nachweise zur Wirksamkeit und Sicherheit liefern, sind nötig, damit Behörden wie die US-amerikanische FDA oder die europäische EMA die nötigen Informationen haben, um das Arzneimittel zuzulassen.

Daran wird sich auch in dieser Pandemie nichts ändern. Ein Impfstoff darf keine Qualitätskontrolle und keine Sicherheitsstudie überspringen. Doch wenn sicher sei, dass ein Impfstoff den gewünschten Effekt hat, ohne Schäden anzurichten, könnte man in "Untersuchungen zum Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres in einer kombinierten Phase eintreten", sagte Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, einem Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, in einem Gespräch mit dem deutschen Science Media Center. 

Gemeint ist: Die Studien der Phasen II und III könnten gleichzeitig stattfinden, während sich Hersteller schon einmal auf die Großproduktion einer Vakzine vorbereiten und Behörden sich darauf einstellen, die Prüfung für den dringend erwarteten Impfstoff im Eilverfahren durchzuführen. Ein solches Verfahren wurde bisher nur nicht verwendet, weil es nie so dringend war wie zu diesem Zeitpunkt, diskutiert wird es schon länger. All das ist möglich, würde für alle möglichen Impfstoffe gelten und könnte die Entwicklung ungemein beschleunigen.

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Die Übergangslösung

Forscher gehen davon aus, dass die Covid-Pandemie wie alle Pandemien in Wellen verläuft. Sie verschwindet, nur um dann Monate später wiederzukommen. Für die erste Pandemiewelle, in der wir gerade stecken, wird ein Impfstoff wohl zu spät kommen. Deshalb ist klar: Wenn es eines momentan dringend braucht, dann sind es Übergangslösungen. Eine davon könnte ein alter Bekannter sein: ein Tuberkulose-Impfstoff, der nur einigermaßen vor Tuberkulose schützt – dafür aber dem Immunsystem von Geimpften Anschwung gibt, was ihnen im Kampf gegen Covid-19 helfen könnte. 

Noch bis 1998 empfahl die Ständige Impfkommission eine Impfung mit dem Impfstoff BCG, kurz für Bacillus Calmette-Guérin. In Ländern, in denen es noch immer viele Tuberkulose-Fälle gibt, wird BCG weiter benutzt. Dabei handelt es sich um abgeschwächte Mykobakterien, enge Verwandte des Tuberkuloseerregers. 

Flussdiagramm zur Einschätzung, ob man Kontaktperson ist oder nicht.
©  ZEIT ONLINE

Schon lange vermuten einige Epidemiologen, dass eine BCG-Impfung Menschen auch vor anderen Infektionen schützen kann. Und dass Kinder, die BCG-geimpft sind, nicht nur seltener an Tuberkulose sterben, sondern auch an anderen Erkrankungen. Inzwischen mehren sich diese Hinweise, harte Beweise gibt es allerdings weiter nicht (zum Beispiel: BMJ: Higgins et al., 2016). Der Impfstoff, so zeigt sich, bleibt auch Monate nach der Impfung in der Haut der Geimpften aktiv. Wahrscheinlich trainiert BCG von dort aus das Immunsystem. Wissenschaftler konnten unter anderem zeigen, dass im Blut ein Botenstoff, der die Tätigkeit bestimmter unspezifischer Abwehrzellen ankurbelt, bei BCG-Geimpften stärker ansteigt, wenn sie mit Viren kämpfen (Cell Host & Microbes: Arts et al., 2018). 

Anders als die anderen Impfstoffkandidaten soll der BCG-Impfstoff nicht die Ansteckung mit dem Virus verhindern, sondern dem Immunsystem helfen, die Erkrankung Covid-19 zu bekämpfen. Das habe einen großen Vorteil, glaubt Stefan Kaufmann, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin und ein weltweit führender Tuberkuloseforscher: Wenn das Immunsystem besser reagiere, wäre der Prozess der Durchseuchung, der uns wohl bevorsteht, weniger schmerzhaft, weil weniger Menschen sterben würden. So könne man die gewünschte Herdenimmunität der Bevölkerung sicherer erreichen. 

Derzeit starten klinische Studien in den Niederlanden, Australien und Großbritannien, in denen Krankenhauspersonal und ältere Menschen mit BCG geimpft werden. Gerade die Älteren sollen profitieren, denn mit dem Alter verliert das Immunsystem an Kraft, was einer der Gründe sein könnte, warum mehr alte Menschen an Covid-19 sterben.

Deutschland wird bald mit einer modifizierten Form des Impfstoffs folgen. Forscher des Berliner Max-Planck-Instituts haben BCG genetisch verändert, um es noch sicherer und vor allem wirksamer zu machen (Frontiers in Immunology: Nieuwenhuizen et al., 2017). VPM1002, wie der Impfstoff heißt, wurde bereits in kleineren Studien getestet, zugelassen ist er aber noch nicht. 

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Wer hat am Ende etwas von der Forschung?

Bleibt eine letzte und wichtige, aber bisher ungeklärte Frage: Was passiert eigentlich, wenn ein Impfstoff sich in Studien bewährt? Und wie kann sichergestellt werden, dass nicht nur die reichen Länder der Welt an Impfstoffe kommen, sondern auch Menschen in den Slums von Kalkutta, Dhaka oder Lagos? "Ich mache mir da große Sorgen", sagt der Mediziner Hotez, denn viele der Impfstoffkandidaten würden für den europäischen und amerikanischen Markt entwickelt und seien deshalb teuer.

Auch Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen weisen auf dieses Problem hin. UAEM, eine Studierendeninitiative, die dafür kämpft, dass Menschen weltweit Zugang zu essenziellen Medikamenten bekommen, fordert zudem, dass die Impfstoffe, die mit öffentlichen Geldern entwickelt werden, patentfrei zugänglich sein müssen. "Die Impfstoffforschung baut massiv auf öffentliche Gelder, die zum Beispiel in Grundlagenforschung, aber auch in klinische Studien fließen", sagt Paul Schnase von UAEM. Er meint damit zum Beispiel die 150 Millionen Euro, die das deutsche Forschungsministerium über verschiedene Wege in die Forschung für einen Covid-19-Impfstoff investiert. Geld, von dem unter anderem CureVac profitiert. Dass am Ende alle etwas von der Forschung haben, sagt Schnase, sei eine Frage der Gerechtigkeit. 

Mitarbeit: Friederike Oertel

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